Nicht nur für Frauen: Wohnen und Leben im Shabby Chic

Shabby Chic (= schäbiger Schick) ist nicht wirklich schäbig, sondern … ja, was ist er denn eigentlich? Viele sagen, er sei vor allem etwas für Frauen – vielleicht deswegen, weil er von einer Frau erfunden wurde. Doch die betont feminine Variante ist nur eine von vielen Möglichkeiten, dieses Wohnkonzept umzusetzen. Denn in Wirklichkeit ist Shabby Chic vor allem eines: individuell.

Wer Shabby Chic mag, sollte Rachel Ashwell kennen

Namensgeberin des Shabby Chic ist die britische Innenarchitektin, Designerin und Businesslady Rachel Ashwell. Sie kam im Oktober 1959 als Tochter eines fliegenden Antiquitätenhändlers und einer Restaurateurin von Puppen und Teddybären zur Welt. So war sie schon als kleines Mädchen umgeben von schönen alten, gebrauchten und vielgeliebten Dingen.

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Im Alter von 16 Jahren verliess Rachel die Schule und arbeitete als Stylistin bei Fotoshootings und beim britischen Privatfernsehen. In den frühen 1980er Jahren wanderte sie nach Santa Monica in Kalifornien aus und schlug in Amerika die Unternehmerlaufbahn ein. Im Jahr 1989 öffnete ihr erster Laden seine Türen, zu kaufen gab es allerlei Originale, die sie auf Flohmärkten fand und für ihre Kunden zusammentrug und teils auch restaurierte. In diese Zeit fällt auch die Gründung von Ashwells eigener Marke, die sie „Shabby Chic“ nannte.

Mittlerweile hat Rachel Ashwells Shabby Chic weltweit Freunde gefunden. Die angesagten Möbel, Stil- und Wohnaccessoires im angesagten Used- und Second Hand-Look stammen mittlerweile nicht mehr von Flohmärkten, sondern werden in Rachel Ashwells eigener Firma hergestellt und auch via Internet zum Kauf angeboten. Die Unternehmerin besitzt heute mehrere Marken, darunter „Shabby Chic Couture“ und „Treasures by Shabby Chic“. Sie betreibt auch einen englischsprachigen Blog, in dem Shabby Chic-Liebhaber ihre aktuellen Aktivitäten zu diesem Thema verfolgen und miterleben können.

Die wichtigsten Shabby Chic-Elemente

Laut Rachel Ashwell, Namensgeberin und Trendsetterin des Shabby Chic, gibt es durchaus zentrale Elemente für diese Art der Wohnkultur. Dazu gehören zum Beispiel ein klassischer oder ausgefallen gestalteter Kronleuchter für die perfekte Mischung aus Glamour und Romantik, ein antik wirkendes Sofa in Pastellfarben, mehrere gemütliche Kissen und frische Blumen als lebendige Dekoration.

Unter anderem an Empfehlungen wie diesen wird deutlich, warum Shabby Chic als Marke vor allem bei Frauen so gut ankommt: Die Betonung des Femininen ist nicht zu übersehen. Doch auch Männer können dieser Art des Wohnens jede Menge abgewinnen – vor allem, wenn sie gemeinsam mit der Partnerin als Nestbauer, Sammler, Ideengeber und Bastler aktiv werden können.

Shabby Chic ist zwar ein geschützter Markenname, doch als schäbiger Schick lässt sich grundsätzlich alles bezeichnen, das stilvoll gebraucht, liebenswert elegant und ein bisschen wie aus der Vergangenheit aussieht. Dabei sollte es am besten so wirken, als könne es auch vom Flohmarkt stammen oder von einem Glücksgriff beim Sperrmüll erzählen.

Wer also ganz authentischen Shabby Chic, aber nicht unbedingt ein Markenprodukt dieses Namens möchte, kann optimal nachhelfen, indem er einfach Flohmärkte besucht, beim Sperrmüll die Augen offen hält und in Antiquitäten-, Second Hand- und Trödelläden immer einen zweiten Blick riskiert.

Als Faustregel beim Sammeln gilt: Was ein bisschen wackelt, ist noch gut. Was fault oder bereits beim ersten Hochheben zerfällt, sollte lieber stehengelassen werden – es sei denn, man hätte sich bereits unsterblich in das Stück verliebt und wäre bereit, notfalls richtig viel Arbeit und/oder Geld hineinzustecken. Schwierig wird es auch, wenn etwas nicht funktioniert, weil wichtige Teile fehlen, die sich nicht oder nur sehr schwer ersetzen lassen. Dann kann das Fundstück jedoch immer noch als Dekorationsobjekt zweckentfremdet werden.

Perfekt ergänzen lässt sich das Bekenntnis zu Originalen, Kuriositäten und Einzelstücken durch das Einrichten einer kleinen Werkstatt oder Bastelecke zu Hause. Dort lassen sich zu sehr abgenutzte, angejahrte oder angeschmuddelte Fundstücke mit wenig Aufwand reparieren, auffrischen oder umändern.


Shabby Chic ist ein Wohntrend für Menschen, die ungern neue Möbel kaufen. (Bild: Un-Cruise Adventures, Wikimedia, CC)


Eine Ecke für schnelle Restaurationen

Zum optischen und funktionellen Aufwerten von Flohmarktfunden, Kleinmöbeln etc. sind vor allem Standardwerkzeuge und -materialien für die Holz- und Metallbearbeitung erforderlich. Diese Grundausrüstung sollte in einer passabel bestückten Heimwerker-Hobbyecke vorhanden sein:

  • 2 Hämmer (ein kleiner, ein grosser)
  • Kneif- und Flachzange sowie Drahtschere
  • 1 Set Schraubendreher bzw. Schraubschlüssel (oder ein Elektroschrauber mit Bitsatz)
  • Bohrmaschine mit Holz- Metall- und Steinbohrern
  • Schleifgerät (z. B. Winkelschleifer, Schwingschleifer, Drahtbürsten, Feilen, Schleifpapier
  • Pinsel, Lappen, Reinigungs- und Lösungsmittel (z. B. Terpentin, Universalverdünnung)
  • Nägel, Schrauben, Winkel, Haken, Dübel, Scharniere, Möbelbeschläge etc. (hier zahlt sich das Sammeln langfristig ebenso aus wie Neuanschaffungen)
  • Verschiedene Klebstoffe, Farben und Lacke
  • Klein- und Reparaturteile sowie allerlei Bastelmaterial (gern auch Reste früherer Projekte): Leisten, Latten, Stoff, Schnur, Draht etc.

Einfache Holzmöbel, etwa ein Nachtschränkchen, ein Tisch oder ein Stuhl, können sehr gut auch von Laien geflickt und verschönert werden, wenn es nicht allzu perfekt sein muss. Gilt es allerdings, eine komplizierte Schwalbenschwanzverzapfung zu reparieren, eine Vitrine neu einzuglasen oder passgenauen Ersatz für eine fehlende Kommodenschublade anzufertigen, muss der Fachmann mit Spezialwerkzeug und Profiwissen ran – in diesem Fall der Tischler, Schreiner oder Glaser. Wer will, kann seine Hobbyecke auch nach und nach um Spezialwerkzeuge ergänzen, die er öfter braucht und deren Anwendung er daher auch selbst beherrschen möchte.

Bei der Metallbearbeitung sind den meisten Heimwerkern enge Grenzen gesetzt – nicht jeder hat ein Schweissgerät im Schuppen oder Gewindeschneider und Blechscheren im Werkzeugkoffer. Doch zum Aufwerten der Oberflächen genügen Schleifgeräte und ein Schutzlack zum Konservieren der erwünschten Oberflächenbeschaffenheit. Bei der Behandlung von Flächen kann es sehr charmant wirken, wenn Rost und andere Zeitzeichen nicht vollständig entfernt, sondern erhalten werden. Dabei werden lediglich lose oder scharfe Teile entfernt. Die Oberfläche muss tragfähig sein, darf also nicht mehr bröckeln oder stauben, wenn die Versiegelung aufgetragen wird.



Beim Shabby Chic muss nicht alles alt oder gebraucht sein

Zur Individualität des Shabby Chic gehört auch, alte und neue Lieblingsstücke gekonnt miteinander zu kombinieren. Wichtig ist nur, jedes Stück zu mögen – egal, wie lang oder ereignisreich dessen Geschichte sein mag. So könnte ebenso gut ein antikes Stück in einem hochmodern eingerichteten, chromblitzenden Wohnzimmer stehen, um den Raum atmosphärisch aufzulockern oder das Liebhaberstück besonders auffällig in Szene zu setzen. Oder es wird nur ein Raum im Shabby Chic eingerichtet, etwa die Küche oder das Schlafzimmer.

Fazit: Shabby Chic ist ein wandlungsfähiges, verspieltes und individuelles Wohnkonzept, dessen Stilelemente sich im Internet kaufen oder auf dem Flohmarkt finden lassen. Der Schwerpunkt liegt auf der Kombination von klassischen, eleganten, ländlich-schlichen und verspielt-dekorativen Stücken. Besonders gut passt er zum Landhausstil, einem echten Dauerbrenner, der sich seit Jahrzehnten immer wieder neu erfindet.

 

Oberstes Bild: Shabby Chic lässt Altes im neuen Glanz erstrahlen. (© Lapina / Shutterstock.com)

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Mehr zu Christine Praetorius

Christine Praetorius, Jahrgang 1971, spricht und schreibt über Neues, Altes, Schönes und Kurioses. Ich liebe Sprache und Musik als die grössten von Menschen für Menschen gemachten Freuden – und bleibe gerne länger wach, um ihnen noch etwas hinzuzufügen. Seit 2012 arbeite ich mit meinem Mann Christian als freie Texterin, Autorin und Lektorin.

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