Der Kelim - neuer Kult um einen alten Teppich
VON Theo Jannet Allgemein
Kelim oder Kilim ist türkisch und bedeutet einfach Teppich. Wo auch immer man sich im Orient umhört, bei Kelim weiss jeder sofort Bescheid: Der Kelim ist ein sehr flach gewebter Teppich. Die Tradition seiner Herstellung an kleinen Webstühlen reicht schon mehrere Jahrhunderte zurück. Bevorzugt wurde er anfangs in Afghanistan, im Iran und im Kaukasus hergestellt. Die Technik der Herstellung macht nur eine sehr einfache Mustergestaltung möglich.
In der früheren Zeit wurde der Kelim für die Gestaltung von Boden und Wänden, als Behang in Türen, ja selbst als Satteldecke gefertigt. Das Material war und ist bis heute die Wolle der Schafe, und mit natürlichen Pflanzen und Mineralien wurden und werden die ausdrucksstarken Farben durch Färbung erzielt. Es waren früher die Frauen der Nomaden, die solche Kelims herstellten, und einst waren sie ein ganz wichtiger Teil einer Mitgift.
Wie hat es diese Art Teppich bis in das 21. Jahrhundert geschafft und warum ist er aktuell so gefragt und überall beliebt? Natürlich hilft ihm da das Interesse an Reisen, an fernen fremden Ländern und exotischen Kulturen. Viele Menschen in Europa richten sich heute gerne im sogenannten Ethno-Look ein und kombinieren dabei die Stilelemente verschiedener Kontinente und Epochen. Aber natürlich ist es auch die Strahlkraft des Teppichs selbst, die seine Nachfrage so sehr fördert.
Auch für Laien ist es ganz leicht zu erkennen, welch handwerkliche Kunst in jedem Kelim steckt. Seine glatte und straff gewebte Oberfläche gibt so nur wenig Raum für Staub und Schmutz des Alltags. Der verwendete Rohstoff Wolle weist von Natur aus durch sein Eigenfett Schmutz ab. Der Kelim ist damit auch als Bodenbelag sehr lange nutzbar, da er nur wenig abnutzt. Da er beidseitig gelegt und verwendet werden kann, verlängert sich seine Lebensdauer dadurch sogar noch um eine längere Zeit.
Ganz in unserer modernen Welt angekommen, verträgt es der traditionelle Kelim dennoch, mit dem Staubsauger gereinigt zu werden. Sein sehr niedriges Gewicht macht es auch möglich, den Teppich auszuschütteln oder auszuklopfen. Er ist ein reines Naturprodukt, wenn er nicht gerade mit künstlichen Pigmenten gefärbt wurde. Der Aspekt der Schadstofffreiheit ist für Allergiker heute auch ein wichtiges Argument in der Wahl eines Bodenbelages.
Wie lassen sich die Kelims jetzt unterscheiden und kategorisieren? In Indien werden Kelims noch heute in Hand- und Hausarbeit hergestellt. Meist sind es ganze Familien, die so auch bestimmte Formen und Muster in grösserer Stückzahl produzieren können. Das Weben erfolgt auf einer sogenannten Baumwollkette, einem sehr festen Garn. So ist die Qualität gleichbleibend und der Preis stabil günstig, und die gewünschten sozialen Standards im Herstellerland werden gewahrt. Der bestellte Kelim sieht dann auch so aus wie erwartet.
Etwas anders ist es bei den Nomaden im Iran. Kelim-Teppiche, die aus dieser Region kommen, sind Unikate. Sie werden auf Wollkette gewebt und sind meist im Format kleiner gehalten. Neben dem traditionellen Kelim gibt es von dort noch den flachgewebten Teppich wie etwa der Nimbaf oder Mischformen aus Web- und Knüpftechnik. Da Restfäden beim Farbwechsel aus der Rückseite hängen, können solche Teppiche nur einseitig verwendet werden.
Es ist lohnend, sich mit dem faszinierenden Thema der Teppiche zu beschäftigen. Schon sehr schnell kann ein Laie Kelims aus dem Iran von Kelims aus Marokko unterscheiden. Muster und Farben sprechen hier sehr eindeutige Sprachen. Aber allein die Vielfalt der Muster in den einzelnen Provinzen im Iran kann nur ein Teppich-Experte überblicken. Im seriösen Fachhandel kann man sich aber auf die Angaben, die gemacht werden, verlassen.
Auch das Alter eines Kelims ist ein ganz wichtiger Faktor für seine Wertbestimmung. Hier kann nur ein echter Experte eine verlässliche Aussage treffen. Wirklich alte Kelims sind selten, da iranische Händler nur ungern einen wirklich alten Teppich weitergeben. Damit man von einem „antiken“ Kelim sprechen kann, dafür muss der Teppich mindestens 80 Jahre oder älter sein.
Wie im traditionellen Gebrauch macht sich ein Kelim nicht nur auf dem Boden gut: Er kann auch bei uns durchaus an die Wand gehängt oder auf eine Holzbank gelegt werden. Aus Kelimteppichen werden auch Kissen genäht, kleine Sitzmöbel und -würfel können mit dem leichten Gewebe bezogen werden und sind dann optische und praktische Glanzpunkte.
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