Linoleum: Nachhaltigkeit trifft Moderne
VON Kai Gauger Allgemein
Linoleum hat ein Jahrhundert lang die europäischen Böden beherrscht. 1860 erfunden, setzte sich die Komposition aus Leinöl, Korkmehl und Jutegewebe schnell als hygienischer und strapazierfähiger Bodenbelag durch. Dann kam 1960 das PVC auf den Markt und kickte den traditionsreichen Konkurrenten durch Niedrigpreise aus dem Rennen. Aber das Linoleum hat wieder aufgeholt, denn es ist garantiert frei von Weichmachern und Chemie. Neben dem Korkboden, der durch hervorragende Dämmeigenschaften überzeugt, ist Linoleum das beliebteste Material unter den elastischen Bodenbelägen. Lernen wir es kennen!
Linoleum früher
Linoleumböden galten früher als trist und pflegeintensiv. Zu Recht! Manche einstmals produzierten Grau- und Brauntöne konnten die Seele des Betrachters mit Depressionen füllen. Und bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts mussten Linoleumböden gebohnert werden. Wer sich noch an Grosseltern erinnern kann, die einmal im Monat ihre Holztreppe diesem Pflegeverfahren unterzogen, weiss, wie aufwändig diese Arbeit gewesen ist. Die natürliche Oberfläche des früheren Linoleums war hochempfindlich gegenüber Verschmutzungen. Besitzer, die sich nicht regelmässig auf die Knie niederliessen oder die Bohnermaschine anwarfen, strafte das Linoleum mit einem stumpfen, schlierigen Aussehen.
Linoleum heute
Modernes Linoleum besitzt eine Schutzschicht. Bis in die 90er Jahre bestand sie aus Acrylharz. Heute wird dafür Polyethuran verwendet, oder es kommen spezielle, firmeneigene Rezepturen zur Anwendung. Der Vorteil: Dank dieser dauerhaften Versiegelung entfallen alle oben geschilderten Reinigungstorturen. Linoleum kann mit einfachen pH-neutralen Pflegemitteln sauber gehalten werden. Wenn Sie zu den Menschen gehören, die Stressabbau durch Hausarbeit betreiben, wird Ihnen dieser Bodenbelag zur Lieblingsdisziplin werden.
Unverschleissbar
Experten wollen es immer ganz genau wissen. Sie haben in einem Berliner Wohnhaus den originalen Linoleumbelag von 1918 untersucht. Das Ergebnis: Das ursprünglich vier Millimeter dicke Material hat im Laufe der vielen Jahrzehnte seiner Nutzung nur 0,4 Millimeter an Stärke eingebüsst. Wegen dieser bekannten Resistenz gegen Verschleiss stattete die britische Kriegsmarine seine Schlachtschiffe mit robusten Linoleum-Qualitäten aus. Noch heute spricht man von Battle Ship Linoleum. Sporthallen-Böden werden mit Sportlinoleum ausgekleidet.
Weitere Argumente
Linoleum ist trittfreundlich und warm. Es ist rutschhemmend, antistatisch, schwer entflammbar und macht sich nichts aus Verunreinigungen durch Öle und Fette. Es wird zu 80 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Es ist, vollständig verklebt, für Fussbödenheizungen geeignet. Dank seines Bindemittels Linoxyn ist Linoleum ein besonders hygienischer und antibakterieller Bodenbelag. Darum wird es gern in Krankenhäusern verlegt. Einziger Nachteil: Linoleum eignet sich nicht für Feuchträume.
Dekore und kein Ende
Das typische Linoleum war bis in die 50er Jahre hinein in tristen Grau- und Brauntönen gehalten. Das hatte durchaus seinen Sinn, denn die gedeckten Farben verziehen kleine Verunreinigungen und hielten den Pflegeaufwand etwas geringer. Dennoch spielte Linoleum in der Avantgarde mit: Bahnbrecher der Moderne wie Mies van der Rohe und Le Corbusier setzten in ihren neuen Bauten einfarbige Qualitäten in leuchtenden Tönen ein. Mit ihnen wurde der modernen Innenarchitektur ein perfekter Boden bereitet.
Die Vielfalt der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist das Motto des 21. Jahrhunderts. Wir wollen die Verbesserung der Öko-Bilanz nicht in den Händen der Politiker lassen, sondern selbst unser Teil beitragen. Öfter das Fahrrad benutzen, Strom sparen mit mechanischen Haushaltsgeräten, verantwortlich produzierte Möbel kaufen – auch die Anschaffung eines Linoleum-Bodens zählt als Beitrag zur Nachhaltigkeits-Bewegung. Und das Beste: Das Material kommt nicht im härenen Hemd des Verzichts daher. Kaum ein Bodenbelag bietet mehr Farbauswahl und Dekore.
Für jeden das Passende
Grasgrün, Smaragdgrün, rötlich marmoriert, in glänzender Nussbaum-Optik, im coolen Schachbrettmuster, mit Bruchstein-Oberfläche oder gemasert wie altes Holz – modernes Linoleum passt sich jedem Wohnstil und jeder Farbpräferenz an. Es kann Bodenfliesen imitieren, ein Mosaikmuster nachahmen oder im ausgefallenen Streifen-Design einen Raum länger wirken lassen. Kein Laminat und kein Parkett kann diese Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
Materialstärke
Linoleum wird in Qualitäten zwischen 2 und 4 Millimetern Stärke ausgeliefert. Für den normal stark beanspruchten Wohnbereich sind Linoleumbelege von 2 bis 2,5 Millimetern völlig ausreichend. In öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Krankenhäusern und Verwaltungen werden Materialstärken von 2,5 oder 3,2 Millimetern verlegt. Das 4-Millimeter-Linoleum kommt nur in Fertigungsbetrieben, Lagerhallen und ähnlichem zum Einsatz.
Reifeschleier
Eine Besonderheit des natürlichen Materials Linoleum ist der Reifeschleier. Dieser Reifeschleier ist kein Produktionsfehler, sondern entsteht durch unterschiedliche Belichtungen. Wenn das Linoleum zum Beispiel erst im Freien und später im Gebäude selbst zugeschnitten wurde, besitzen die stärker belichteten Bahnen eine ins Gelbliche spielende Färbung. Aber keine Sorge: Einige Zeit nach dem Verlegen gleichen sich die Farbqualitäten an.
Wenn Ihr Linoleum fertig verlegt ist und in Ihrer Wohnung die Einweihungsparty steigt, machen Sie sich den Spass und laden ein paar Gäste aus der grauen Linoleum-Zeit ein. Zeigen Sie ihnen Ihren neuen Bodenbelag und lassen Sie sie raten – die werden niemals darauf kommen, dass das Linoleum ist.
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