Mit Schraubverbindungen veränderte ein Grieche die Welt
VON Christian Praetorius Allgemein
Wenn zwei oder mehr Bauteile kraftschlüssig und doch lösbar miteinander verbunden werden sollen, kommen Schrauben und Schraubverbindungen zum Einsatz. Die Masse für die meisten gängigen Verbindungselemente sind weltweit genormt, sodass die Beschaffung von Ersatzteilen problemlos erfolgen kann.
Schraubverbindungen basieren auf einer lösbaren Verbindung von Aussen- und Innengewinde und bieten im Vergleich zu anderen Fügeverfahren zahlreiche Vorteile. Realisiert werden können sowohl feste, also nicht bewegliche Verbindungen, ebenso aber auch solche, bei denen die verschraubten Einzelteile sich gegeneinander bewegen können, um etwa eine Kraft zu übertragen oder einen Weg zurückzulegen.
Archimedes – der Erfinder
Der griechische Mathematiker und Ingenieur Archimedes war es, der bereits im 3. Jahrhundert vor Christus im antiken Griechenland das Prinzip der Schraube entwickelte. Er wickelte eine Spirale um eine Welle und liess die Welle dann in einem Hohlzylinder rotieren, um damit Flüssigkeiten zu transportieren. Diese archimedische Schraube wird als Schraubenpumpe noch heute industriell eingesetzt, denn sie arbeitet sehr zuverlässig und wartungsarm und wirbelt das Fördermedium – anders als etwa eine Zentrifugalpumpe – nur wenig auf.
Allerdings arbeitet die archimedische Schraube nur mit einem Gewinde (dem auf der rotierenden Spindel). Erst viele Jahrhunderte später, mit Beginn der Industrialisierung in Europa, entwickelten Ingenieure das Prinzip weiter und erkannten die Möglichkeiten, Innen- und Aussengewinde zu kombinieren und so eine lösbare Verbindung herzustellen.
Wirklich durchsetzen konnten sich Schraubverbindungen jedoch erst, als zunehmend Normen für Schrauben und Muttern festgelegt wurden und damit die Verbindungselemente auch unabhängig voneinander gefertigt und eingekauft werden konnten. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete der britische Ingenieur Joseph Whitworth, der die Grundlagen für die industrielle Grossserien- und Massenfertigung schaffte, indem er nach systematischen Untersuchungen von genutzten Gewindearten den Flankenwinkel des Gewindes auf 55° festlegte. In Kombination mit der anderen relevanten Einflussgrösse, der Flankensteigung, konnten so erstmals verbindliche Normen für Gewinde festgelegt werden.
Internationale Normen
Heute bestehen eine Vielzahl von internationalen Normen für Gewinde und gewindetragende Verbindungselemente, so dass es problemlos möglich ist, Bauteile international zu beschaffen und auszutauschen. Dabei gilt immer, dass Bauteile mit Aussengewinde und solche mit Innengewinde zueinander passen müssen, die dafür entscheidenden Kenngrössen und Toleranzen sind in den Normen festgelegt. Die meisten Schraubenmasse sind in ISO-Normen der International Organization for Standardization festgelegt, sie basieren auf dem metrischen System und weisen einen Flankenwinkel von 60° auf. Das metrische ISO-Gewinde konnte sich weltweit durchsetzen und löste so auch die älteste Gewindenorm, die in Erinnerung an ihren Erfinder Whitworth-Gewinde genannt wurde, ab. Dennoch werden Whitworth-Gewinde, deren Masse nicht in Millimetern, sondern in Zoll angegeben werden, auch heute noch in Ländern wie den USA und Grossbritannien hauptsächlich verwendet und haben auch im restlichen Europa ihren festen Platz, etwa bei der Hausinstallation, bei Stativen und in PC-Gehäusen sowie in der Luftfahrt.
Obwohl sämtliche gängigen und gebräuchlichen Gewindeformen genormt sind, werden dennoch auch teilweise proprietäre, also von Herstellern festgelegte Verbindungselemente und Gewindeausführungen genutzt. Diese bieten aus Sicht des Herstellers den Vorteil, dass die Versorgung mit Ersatzteilen und Werkzeugen nicht über den freien Markt möglich ist, sondern die benötigten Teile direkt beim Hersteller bezogen werden müssen. Dieses Vorgehen ist etwa in der Automobilindustrie nicht unüblich, ebenso im Bereich Maschinenbau.
Wie Schraubverbindungen funktionieren
Damit Innen- und Aussengewinde eine feste Verbindung eingehen können, müssen die Flanken des Gewindes zueinander passen, also in Form, Höhe und Winkel übereinstimmen. Ist dieses gewährleistet, kann etwa eine Mutter mit Innengewinde entlang der Schraubenlinie des Bolzens auf den Gewindegängen gleiten. Werden Mutter oder Bolzen dann angezogen, wirken die ineinandergreifenden Flanken wie Keile und sorgen dafür, dass sich die Verbindung nicht mehr von selber lösen kann.
Auch der Steigungswinkel des Gewindes spielt eine entscheidende Rolle, denn je kleiner dieser ist, desto stabiler wird die Verbindung. Im Umkehrschluss sorgt ein ausreichend grosser Steigungswinkel dafür, dass sich die Gewinde nicht ausreichend stark ineinander verkeilen können und der Reibungswiderstand nicht ausreicht, um die Abtriebskraft auszugleichen. Dieser Effekt ist bei beweglichen Verbindungen durchaus erwünscht, um etwa eine bewegliche Welle anzutreiben. Hier werden dann in der Regel Trapezgewinde verwendet, die einen Flankenwinkel von 20° oder 30° aufweisen.
Bei Befestigungsschrauben ist eine Selbstlösung der Verbindung hingegen nicht erwünscht, sie sind selbsthemmend und sorgen für eine feste Verbindung. Allerdings können etwa Vibrationen die Verbindung lösen, daher werden oft Scheiben oder andere Sicherungselemente eingesetzt, um zusätzliche Spannung auf die Schraubverbindung zu bringen und so ein Losrütteln zu verhindern.
Sind Sie Rechtshänder?
Gewinde lassen sich nach verschiedenen Kriterien unterteilen: Nach ihrer Verwendung in Befestigungs- oder Bewegungsgewinde, nach ihrer Lage in Innen- oder Aussengewinde oder nach ihrer Gangrichtung in Rechts- oder Linksgewinde. Letztere sind relative Exoten unter den Verbindungselementen, denn üblicherweise werden Schrauben und Muttern im Uhrzeigersinn eingeschraubt und gegen den Uhrzeigersinn gelöst. Von diesem Prinzip wird nur in wenigen Fällen abgewichen, etwa bei Spannschlössern, wo nur durch die Kombination von Links- und Rechtsgewinde die Spannung von Drahtseilen erreicht werden kann, bei rotierenden Bauteilen wie Schleifscheiben, die sich ansonsten selber losdrehen könnten oder bei Gasventilen, um Verwechselungen zu vermeiden.
Handling und Lagerung
Verbindungselemente mit Aussengewinde sind empfindlich, da bereits kleine Kerben oder Schäden an den Gewindeflanken verhindern, dass sich die Bauteile einwandfrei verschrauben lassen. Je geringer die Toleranzen für Schrauben- und Muttergewinde sind, desto mehr muss im betrieblichen Handling dafür Sorge getragen werden, dass die Flanken nicht beschädigt werden. Das gilt besonders bei automatisierten Fertigungsanlagen, während bei einer Verschraubung von Hand durch eine leichte Erhöhung des Drehmomentes auch leicht beschädigte Schrauben noch eingedreht werden können.
Um Beschädigungen zu vermeiden, sollten Verbindungselemente daher beim Umfüllen, etwa in Sichtlagerkästen für die einzelnen Produktionsstandorte, nicht geschüttet werden. Schonender ist die so genannte Fliessschüttung, bei der die Kartonage am Boden eingeschnitten wird und die Verbindungselemente dann in den Behälter fliessen können.
Fazit: Ohne Verbindungselemente und Archimedes‘ Erfindung des Gewindes wäre der technische Fortschritt wie wir ihn heute kennen wohl nicht möglich gewesen. International anerkannte Normen sorgen dafür, dass Verbindungselemente weltweit standardisiert sind und schaffen die Basis für feste Verbindungen.
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