Antiquarische Möbel aus dem Spätbarock – ein Highlight in jeder Wohnung
Um die Pracht und Ausstrahlung, Zufriedenheit und manchmal auch Schwülstigkeit zu verstehen, die den Möbeln aus dem späten Barock eigen sind, muss man die Zeit und die gesellschaftlichen Verhältnisse kennen, aus der sie stammen. Denn tatsächlich korrespondieren die gesellschaftlichen Entwicklungen immer mit dem Geschmack einer jeden Zeit, mit deren Vorlieben und Abneigungen.
Die Situation Anfang des 18. Jahrhunderts
Nach Ende des Dreissigjährigen Krieges war das Deutsche Reich in über 300 kleinere und grössere Herrschaftsbereiche zerfallen. Diese erkannten pro forma zwar immer noch die Kaiser aus dem Hause Habsburg als ihr gemeinsames Oberhaupt an, in Wahrheit war die Kaiserkrone aber bereits nur noch eine leere Hülle. Seit der Selbstkrönung Friedrichs zum König von Preussen 1701 konsolidierte sich die preussische Vorherrschaft im Norden Deutschlands. Und im Süden wurde durch Verträge die Gefahr der Türkeneinfälle gebannt. Deutschland befand sich in einer gefestigten politischen Position, die vielen Fürstenhäuser hatten trotz ihrer Zersplitterung eine sichere Stellung inne und konnten voller Optimismus in die Zukunft sehen.
Kaum Schränke auffindbar
Es war daher für die Adeligen, aber auch für die neu entstandene Schicht der vermögenden Bürger an der Zeit, ihre Stellung und ihr Selbstverständnis zur Geltung zu bringen. Dies auch durch eine entsprechende Einrichtung, die die Zeitgenossen gebührend beeindrucken sollte. Daher sind kaum Schränke aus dieser Zeit auf dem Antiquitätenmarkt zu finden. Denn Schränke galten als Möbel, die lediglich der Aufbewahrung dienten und nichts in den repräsentativen Räumen zu suchen hatten. Sie wurden nicht repariert, sondern entsorgt und ersetzt.
Schreibschränke und Schubladen
Der Einfallsreichtum und die Geschicklichkeit der Handwerker jener Zeit zeigten sich viel mehr in Esstischen, Schreibtischen, Konsoltischen, Sitzmöbeln, Kommoden, Sofas und Kabinettschränken. Prunkmöbel, oft mit kostbaren Intarsien oder Lackmalereien geschmückt. Besonders begehrt waren aufwendig hergestellte Schreibschränke. Der grosse Erfolg dieser Möbelart resultierte aus dem Bedürfnis des wohlhabenden Bürgertums, gleichzeitig einen Schreibtisch und viele Schubladen zur Aufbewahrung der Dokumente zu haben. Parallel zu diesen Schreibschränken entwickelten sich Schreibtische mit seitlichen Schüben und schliesslich die ganz grossen Schreibschränke mit mittlerer Klappe und Aufsatz.
Zwiebelförmige Beine und geometrische Muster
Dieser Möbeltypus wird besonders durch den dreiteiligen „Maria-Theresia-Schrank“, der immer wieder auf Antiquitätenmessen auftaucht, repräsentiert. Es handelt sich dabei um einen Schreibschrank ohne Spiegel. Der untere Teil ist eine Kommode auf zwiebelförmigen Beinen. Darauf der Mittelteil mit aufklappbarer Schreibplatte. Darauf wiederum ein Kabinettaufsatz mit kleinen Schubladen, dessen Mittelteil erhöht wie ein Tabernakel wirkt. Dieses wird bei den eleganten Exemplaren durch figürliche Darstellungen, Landschaften, Fadeneinlagen oder geometrische Muster geschmückt.
Acht Wandtische in Serie
Typisch für die Möbel des Spätbarock war ihre elegante und üppige Wuchtigkeit, gemildert durch die vorherrschenden rundlichen Formen. Besonders bekannt war damals die bayrische Barockmöbelbaukunst. An Werken der grossen Meister Josef Effner und Francois de Cuvilliés, der seine Karriere am bayrischen Hof in München als Hofnarr begann, ist wunderbar die langsame Entwicklung vom Spätbarock zum Rokoko abzulesen. Gerade Josef Effner entwarf in der Zeit zwischen 1720 und 1730 eine Serie von acht Wandtischen, die vom Kunstschreiner Johann Adam Pichler gefertigt wurden. An ihnen verdeutlicht sich die langsame Abkehr von den strengen, wuchtigen Formen des zu Ende gehenden Barock hin zu einem leichteren, bewegten, spielerischen Rokoko, das allerdings immer noch ein wenig schwerfällig wirkte.
Dieser Übergang kann gerade an den Beinen der Möbel gut betrachtet werden. Waren es anfangs noch sich nach unten verjüngende Beine von quadratischem Schnitt, die durch Akanthusblätter mit den Zargen verbunden waren, übernahmen später Hermen diese Funktion. Noch später dann finden sich keine anthropologischen Merkmale mehr auf den S-förmigen Stützen, sondern diese wiesen Rankenwerk-, Blattwerk- oder Volutenverzierungen auf.
Verschwenderisch und ausladend
Ein weiteres Zentrum des Spätbarock und des beginnenden Rokoko war natürlich die Stadt Wien. Weder Kriege noch dynastische Streitigkeiten bei den regierenden Habsburgern konnten den Ausbau der Stadt mit verschwenderisch ausgestatteten Bauten stoppen. Dementsprechend die ebenso verschwenderische, ausladende und Stabilität und Reichtum ausstrahlende Einrichtung im Barockstil. Wobei die Wiener die ostentative Zurschaustellung von Macht und die typisch französische Schwülstigkeit vermeiden konnten.
Eines der schönsten Wiener Barockmöbel überhaupt befindet sich im Österreichischen Museum für angewandte Kunst. Ein mächtig-wuchtiger Bibliothekstisch in Ahorn- und Nussbaumfurnier. Wunderbare, aufwendige Holzintarsienarbeiten zieren die grosse Tischplatte. In den Schreibtisch eingearbeitet sind vier Stühle, die bei Bedarf ausgezogen werden können. Ein einmaliges Beispiel barocker Handwerkskunst, die in ihrer Wiener Ausformung bei aller Ausgelassenheit der runden Formen immer kontrolliert und dadurch weniger frei und übermütig wirkte.
Die Jagd nach Antiquitäten
Wenn auch Sie zu den Liebhabern edler Möbelkunstwerke gehören, dann besuchen Sie Antiquariate und antiquarische Möbelmessen, lesen Sie verborgene Kleinanzeigen in Provinzzeitungen oder versuchen Sie im Internet, auf der Jagd nach top-restaurierten alten Möbeln fündig zu werden. Und wenn Sie ein Exemplar aus der Zeit des Spätbarock ergattern, dann wissen Sie, dass Sie wahrscheinlich den „Kaiser“ unter Ihren Möbeln gefunden haben.
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