It's Tea-Time: Die Finessen des britischen Einrichtungsstils
VON Caroline Brunner Allgemein Wohnzimmer
Stiltreue, Stilmix oder Stilbruch? Alles geht! Grundsätzlich haben die Engländer den Rest der Welt mit vier verschiedenen Stilrichtungen beglückt. Da ist zum einen der berühmte Kolonialstil, der für das nun schon lange untergegangene Grossreich steht und historisch mit dem Imperialismus assoziiert ist. Glücklicherweise hat dieser Stil seine manchmal unschöne Geschichte längst abgeschüttelt. Hier können Sie etwa Rattan- und Bambusmobiliar, helle Leinenstoffe, Messingaccessoires und Sisalteppiche kombinieren. Wenn Sie dem Stil eine feminine Note geben möchten, fügen Sie Kissen, Vorhänge oder Steppdecken mit Paisley-Muster hinzu. Zwar wurde dieses Dessin nach der schottischen Stadt gleichen Namens benannt, war aber ursprünglich von indischen Motiven inspiriert.
Zu Hause begab sich der englische Gentleman nach langen, staubigen Monaten in Indien natürlich in seinen Klub. Dort erwarteten ihn lederne Chesterfield-Sofas (die es inzwischen in ausgezeichnet gemachten, tierfreundlichen Imitationen gibt) und Sessel, kuschelige Wolldecken im Tartan-Muster seiner Familie, geschliffene Whiskeygläser und Karaffen. Ebenfalls unentbehrlich: Ölbilder und Stiche mit Jagdszenen und Landschaften und auf Hochglanz poliertes Parkett.
Fast das genaue Gegenteil scheint der eher rustikale, aber auch sehr romantische Country-Stil darzustellen, der ins kollektive Gedächtnis nicht zuletzt durch Dutzende Miss-Marple-Filme gedrungen ist. Zu ihm gehören natürlich gemütliche Sofas mit breiten, geschwungenen Lehnen, Ohrensessel, Feuerstellen, Rosenbüsche und Rosenmotive in allen Variationen, kleine Teetische und Silbersets für die traditionelle Tea-Time am Nachmittag.
Im 20. Jahrhundert hat sich dann noch ein weiterer Stil ausgebildet, nämlich das luftige, minimalistische Industrie-Design, mit dem die Lofts Londons ausgestattet wurden. Inspiriert sind diese Interieur-Designs nicht zuletzt von der Bauhaus-Tradition. Hier kommen viel roher Beton und Stahl zum Einsatz, die Formensprache ist sehr klar und wird immer wieder von einigen markanten, klaren Farben gebrochen.
Sie müssen sich nicht für einen dieser Stile entscheiden, im Gegenteil! Durch die Vielzahl der in ihr verschmolzenen Kulturen war die englische Lebensart selbst von jeher ein bunter Kessel verschiedenster Einflüsse. Das Wichtigste: Nehmen Sie das Einrichten mit Humor. Zwar können die Briten manchmal ein wenig steif erscheinen, aber sie haben alle eine grosse Portion meist staubtrockenen Witzes, der sich oft überraschenderweise in ihren Einrichtungs- und Dekorationsideen widerspiegelt. Halten Sie Ausschau nach solchen Kleinoden wie Sofakissen mit verschmitzt grinsenden Jagdhunden, alten Stichen aus der reichen Karikaturen-Tradition der britischen Inseln (die es sogar schon im Original für erstaunlich günstige Preise zu erwerben gibt) oder Teegeschirr mit diesbezüglichen Motiven.
Wenn Sie ein paar zentrale Objekte integrieren, können Sie darum herum aus allen Stilen mitnehmen, was Ihnen gefällt. Zu den essenziellen Elementen britischen Interieurs gehört natürlich ein Kamin. Noch im kleinsten Arbeiterhaus der 1960er war ein solcher zu finden, wenn er auch winzige Masse hatte und lediglich elektrisch betrieben war. Heute haben diese mit Strom versorgten Feuerstellen Kultcharakter, sind sie doch mit täuschend echt flackernden, künstlichen Scheiten ausgestattet.
Wenn Ihnen dieser Anblick doch zu artifiziell ist, dann legen Sie sich ruhig einen prunkvollen Kaminsims zu. Streichen Sie den Wandausschnitt schwarz, stellen Sie ein Stillleben verschieden hoher, cremefarbener Kerzen hinein – und voilà, das Kaminzimmer ist geboren. Natürlich darf dieses Ensemble dann für den ersten Weihnachtsfeiertag traditionell mit geschenkgefüllten Strümpfen und Stechpalmenzweigen geschmückt werden. Rote Kerzen und viele Weihnachtskarten auf dem Sims ergänzen den britischen Christmas-Look. Für den Rest des Jahres ergänzen die traditionellen silbernen Fotorahmen mit Bildern Ihrer Liebsten sowie zwei ausladende, dreiarmige Kerzenleuchter das gute Stück.
Wenn Sie nun noch einen antiken (oder auf alt getrimmten) Ohrensessel mit einem kuscheligen Wollplaid daneben platzieren, werden Sie sich fühlen wie in ein südwestenglisches Cottage versetzt. Natürlich darf dann auch eine gepolsterte Fussbank, der sogenannte „Footstool“, nicht fehlen. Überziehen Sie beides mit einem klassischen Schottenmuster, dann geben Sie dem Mobiliar eine männlichere Note; ansonsten bieten sich helle Stoffe mit Rosenmuster an.
Übrigens: In England stehen die Sofatische immer neben den Sofas! Dafür gibt es aber auch meist zwei dieser zierlichen Möbeltische, so dass jeder Sitzende eine eigene Ablagefläche hat. Sie bilden auch die Unterlage für die berüchtigten Coffee-Table-Books, die in keinem englisch inspirierten Wohnzimmer fehlen dürfen.
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