Le Corbusier: Möbeldesign für die Ewigkeit
Le Corbusier war sich seiner selbst bewusst. Ein genialer Architekt mit hochpräzisen Vorstellungen, nicht leicht im Umgang für seine Mitmenschen. Seine Vorstellungen von Architektur und Städteplanung eilten ihrer Zeit weit voraus. Zentral für sein architektonisches Schaffen war schon früh ein gleichsam stapelbares, vielfältig veränderbares Haus. Nicht ein Solitär, geschaffen für einen einzigen vermögenden Bauherrn, sondern ein Haus für den Massenwohnungsbau. In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein wahrhaft revolutionärer Gedanke.
Le Corbusier selbst beschrieb dieses Haus als „ein Gerippe, völlig unabhängig von der Aufgabe des Hausgrundrisses“. Aus Standardelementen hergestellt und beliebig miteinander kombinierbar. Pfeiler, ein Charakteristikum für seine Bauten, ermöglichten einen freien Grundriss, und grosse Lichtbänder sorgten für einwandfreie Beleuchtung und grosszügigen Ausblick.
Häuser mit natürlichen Rundungen
Vollkommen anders waren seine Bauten in seiner „organischen Periode“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Häuser mit natürlichen Rundungen, mit katalanisch flachen Gewölben, gewellten Dächern und Terrassen. Aus Naturmaterialien bestehend, wie Back- und Bruchsteine, gebrannter Ton und Ziegel. Beinahe mystisch mutet es an, dass Le Corbusier als Mass für diese Häuser den „Modulor“ entwickelt hatte. Ein Längen- und Breitensystem, das seine Masse und Relationen vom menschlichen Körper ableitete.
Le Corbusier beschäftigte sich aber auch mit den Möglichkeiten, welche die Betonbauweise bietet. Parabolische und hyperbolische Formen waren im grossen Massstab verwirklichbar. So schuf er auch sein architektonisches Meisterwerk: die Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut de Ronchamps im Osten Frankreichs. Ein Ort, den jeder an Architektur Interessierte einmal besucht haben sollte.
Praktisch, funktional und dennoch Design
Aber Le Corbusier war eben nicht nur ein Architekt, sondern verwirklichte zusammen mit Charlotte Perriand und Pierre Jeanneret zwischen 1925 und 1930 auch Möbel, die heute allgemein als „Designmöbel“ mit den Namen „LC 1“ bis „LC 7“ bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um Möbelstücke, die skulptural wirken, aus Stahlrohrgestell, Leder und reissfestem Stoff hergestellt werden und die praktisch und funktional, ja manchmal sogar gemütlich sind.
Eine anatomisch geformte Liege
Das bekannteste unter diesen Möbelstücken ist die Liege „LC 4“, ein fester Bestandteil beinahe jeder Designwohnung. Mit diesem Chaiselongue hat sich Le Corbusier auch am längsten beschäftigt, ehe es seine endgültige Form, sein noch heute gültiges Aussehen erhalten hat. Ihm schwebte eine „machine à repos“ vor, eine Ruhemaschine. Ein frühes Vorbild war der Morris-Chair von William Morris, ein hölzerner Liegestuhl mit breiten Armlehnen und verstellbarem Büchertablett. Frühe Skizzen von Le Corbusier zeigen diese Liege in ihrer Grundform, ohne Armlehnen und Tablett. Weitere Vorbilder waren ein Chaiselongue der Schweizer Firma Wanner aus Genf und der „Surrepos“ genannte Entwurf des Pariser Arztes Dr. Pascaud. Anatomisch geformt mit Kopfrolle und abnehmbaren Armlehnen.
Aufstehen, um die Liege zu verstellen
Bald war für Le Corbusier klar, dass die Liegefläche körperfreundlich geformt sein sollte. Lange aber machte er sich Gedanken, durch welchen Mechanismus, mit welchem Grundgestell die Beweglichkeit der Liegefläche ermöglicht werden sollte. In der Werkstatt wurde dann die endgültige Form gefunden. Einziger Nachteil: Der Benutzer muss aufstehen, um die Liege zu verstellen. Dennoch wurde „LC 4“ zu einem weltweiten Erfolg und wird nach wie vor in relativ grossen Stückzahlen von der italienischen Möbelschmiede Cassina hergestellt und vertrieben.
Zerknautscht und urgemütlich
Ein grosser Wurf wurde auch der Sessel „LC 2 Fauteuil grand comfort“ von 1928. Heute in vielen Haushalten, Anwaltskanzleien und Arztpraxen sowie Banken zu sehen, verspricht dieses im Grunde genommen einfache Sitzmöbel schon durch sein Aussehen echte Gemütlichkeit. Ein einfaches verchromtes Stahlrohrgestell umfasst zwei Sitz-, zwei Lehnen- und ein Rückenpolster. Das war’s.
In der Urversion mit Bettfedern gefüllt, machten die schwarzen Lederpolster meist schon bald einen zerknautschten und urgemütlichen Eindruck. In der heutigen Version mit einer Füllung aus Polyurethanschaum wirkt der Sessel auch nach oftmaligem Gebrauch glatt und streng. Neben der Originalversion ist heute auch ein breiterer Zweisitzer erhältlich. Unzählige Epigonen haben sich an dieser Form versucht und unzählige Nachahmermöbel sind für den Konsumenten erhältlich. Am schönsten ist aber einfach der originale „LC 2“.
Runde Sitzfläche
Aussergewöhnlich und heute eher selten zu sehen ist der Drehstuhl „LC 7“. Auf einem vierbeinigen, nach oben hin zentrisch verjüngten Stahlrohrgestell ist durch ein Drehgelenk verbunden die runde gepolsterte Leder- oder Stoffsitzfläche gelagert. Darüber bildet ein halbrundes gepolstertes Stahlrohr zugleich Armauflage und Rückenlehne. Le Corbusier ging es bei der Verwendung von Stahlrohr nicht um die Analyse neuer technischer Möglichkeiten oder physikalischer Eigenschaften des Materials, sondern er wollte dieses lediglich mit der Fertigkeit eines geborenen Bastlers verwenden.
Eines ist jedenfalls allen Möbeln Le Corbusiers gemeinsam: Sie sind von atemberaubender Schönheit. Absolut ohne Ablaufdatum. Produziert aus langlebigen, nachhaltigen Materialien, stellen diese Möbelstücke für alle Wohnfans mit exquisitem Geschmack noch heute ein wahres Must-have dar.
Oberstes Bild: © Radu Bercan – Shutterstock.com
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